Kaufen jetzt – Inkasso später
Wer im Onlinehandel unterwegs ist, findet oft Slogans wie: "Jetzt kaufen, später bezahlen" oder "Wunschprodukt finanzieren statt darauf zu verzichten". Zahlungsdienste wie Paypal oder Klarna machen das Bezahlen im Internet einfacher. Sie bieten hierbei auch Optionen für das spätere Bezahlen nach 30 Tagen, in drei Raten oder in Raten bis zu 24 Monaten.
Zur Schuldnerberatung der Caritas kommen Menschen, denen der schnelle Klick auf der Homepage oder in der App finanziell zum Verhängnis wurde. Wenn der fällige Betrag vom Girokonto nicht abgebucht werden konnte, kann es schnell teuer werden. Denn eine Mahnung kommt meist nur per E-Mail mit einer knappen Zahlungsfrist. Danach schalten die Zahlungsdienste Inkasso-Unternehmen ein. "Aus 35 Euro Onlinekauf für alltägliche Gebrauchsgegenstände können schnell Forderungen von über 180 Euro entstehen," weiß Berater Sandro Vogt zu berichten und ergänzt: "wohlgemerkt für jede einzelne Bestellung!" Den Überblick kann man schnell verlieren. Selbst kleine Einkäufe können leicht zu einem großen Problem werden. Und eh man sich versieht lassen negative Schufa-Einträge die Bonität in den Keller rasseln.
Nicht nur im Rahmen der diesjährigen bundesweiten Aktionswoche greift die Schuldnerberatungsstelle der Caritas im Landkreis Meißen die Problematik auf. In sehr vielen Beratungsgesprächen offenbaren sich die langfristigen Folgen von einfachen Bezahlfunktionen - zum großen Ärger der Betroffenen.
Lastschriften sind nur bei ausreichend Guthaben möglich
Besonders Haushalte mit knappen Einkommen haben kein finanzielles Polster auf dem Konto. Sandro Vogt kennt das aus vielen Gesprächen: "Gerade am Ende des Monats können oft nicht mehr alle Lastschriften eingelöst werden. Es entstehen zusätzliche Kosten… und dann platzt auch noch die Abbuchung für den Stromabschlag." Für Schuldnerberater gehen dann dunkelrote Warnlampen an. Denn ist der Stromzähler erst einmal abgeklemmt, wird es schwer, wieder Licht in das dunkle Kinderzimmer zu bekommen.
Wer solche Risiken umschiffen will, für den gilt es, den Überblick auf dem Konto zu behalten: Welche Verträge werden wann regulär fällig? Kann die Kartenzahlung im Supermarkt oder an der Tankstelle noch abgebucht werden? Welche Bestellungen im Internet lässt der Kontostand noch zu? Auch an einen Restbetrag auf dem Konto für den monatlichen Abschlag für Strom muss gedacht sein.
Mit konsequenter Budgetplanung den Überblick behalten
Doch wie gelingt es, die Finanzen im Griff zu behalten?
"Wer mit Bargeld im Supermarkt nebenan einkauft, kann leichter die Kontrolle über das ausgegebene Geld behalten," so der Schuldnerberater. "Wir geben ja auch ungern her, was wir im Portemonnaie haben." Auch eine Budgetplanung auf dieser Basis ist nicht schwer: mit dem Taschenrechner von den regelmäßigen Einnahmen die festen Ausgaben abziehen. Der Rest bleibt zum Leben und kann vom Konto abgehoben werden. Und wer immer nur den Anteil für eine Woche aus dem Geldautomaten holt, kann auch am Monatsende noch das täglich Brot bezahlen. Die Schuldnerberatung erklärt das und hilft bei der konsequenten Umsetzung.
Aber ist das noch zeitgemäß? Die Budgetplanung wird im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs immer anspruchsvoller. Außerdem müssen viele Haushalte mit schwankenden Einkünften planen. Sandro Vogt: "Mit Karte, App oder E-Mail zu bezahlen, das ist zur Normalität geworden. Das stellt uns gemeinsam mit unseren Ratsuchenden vor neue Herausforderungen." So wird auch die Budgetberatung anspruchsvoller. Mit "Omas Haushaltsbuch" lassen sich internetaffine Leute von heute nicht mehr erreichen. Online-Banking und kostenfreie Budget-Apps bilden für sie das Handwerkszeug, um den Überblick zu behalten. Die Voraussetzungen sind aber unverändert geblieben: kontinuierlicher Finanzcheck, Ausgabendisziplin und Durchhaltevermögen. Und auch die Grundprinzipien haben sich nicht gewandelt: ausgeben lässt sich nur das Geld, was zur Verfügung steht. Das ist einfach gesagt, bedeutet aber Anstrengungen. Die können sich auszahlen: "Wenn am Monatsende nach aufwändiger Ausgabenkontrolle noch einige Euros übrig bleiben," so Sandro Vogt, "tut es gut, sich mit einem Eis zu belohnen."
Vorsicht vor der Ratenfalle
Die Weihnachtsgeschenke für die Kinder, kleine Elektrogeräte, neue Bekleidung usw. kauft man zunehmend im Internet. Die Bezahlsysteme verändern sich ständig und sind nicht immer einfach zu verstehen. Die Schuldnerberater empfehlen, sich vorher über die Zahlungsvarianten zu informieren. "Ich dachte selbst einmal, dass der angebotene ‚Kauf auf Rechnung’ die sicherste Variante ist," berichtet Sandro Vogt. Die Rechnung stellte aber nicht der Versandhändler, sondern wurde über einen Dienstleister abgewickelt. "Bevor die Retour meiner Bestellung beim Versandhändler endlich bearbeitet wurde, war die Rechnung beim Bezahldienst schon fällig geworden. Letzteren von einer Stornierung zu überzeugen, hat mich einiges an Nerven gekostet." Gleiche Risiken bestehen bei der Option "Später zahlen" oder "Ratenkauf". Denn wenn der Händler den Zahlungsdienst nicht rechtzeitig informiert, buchen Klarna und Co. das Geld trotzdem vom Konto ab. Man sollte bei Retouren also zusätzlich zum Händler auch den Zahlungsdienst rechtzeitig informieren.
Die Schuldnerberater empfehlen, bei Ratenkäufen grundsätzlich vorsichtig zu sein. In den meisten Fällen zahlt man das Produkt nicht mehr in Teilzahlungen an den Händler ab. Die monatlichen Raten tilgen die vermittelten Kredite und Zinsen von Bezahldiensten und Banken. Wenn also ein Kauf auf Raten tatsächlich notwendig ist, dann sollte man die Angebote für Darlehn genau vergleichen. Reguläre Kreditangebote von Banken können durchaus preisgünstiger sein als die hoch verzinsten Mikrodarlehn über die Bezahl-App oder Kreditkarten. Auch eine Null-Prozent-Finanzierung kann sehr teuer werden. Wer die Raten nicht pünktlich zahlen kann oder den Kreditrahmen neu in Anspruch nimmt, muss mit hohen Zinssätzen rechnen. 18,9 % effektiver Jahreszins sind da keine Seltenheit.
Auch ein Dispo auf dem Girokonto ist für den Notfall gedacht und sollte dann möglichst schnell wieder ausgeglichen werden. Wer hieraus aber andere Forderungen oder Kredite bedient, riskiert, dass das eigene Girokonto zu einer teuren und gefährlichen Schuldenfalle mutiert.
Jetzt sparen, um später kaufen zu können
Welche Alternativen empfehlen Schuldnerberater aber zu Ratenkäufen? Sandro Vogt: "Auf unseren Schreibtischen liegen viele Forderungen aus ursprünglich kleinen Beträgen für Gebrauchsgüter." Als Beispiel nennt er eine Online-Bestellung für drei Handtücher auf Ratenzahlung. "Betroffene ärgern sich dann selbst, warum sie es nicht hinbekommen haben, das zu bezahlen." Da könnte es nahe liegen, die Bezahlfunktionen für sich selbst neu zu definieren: aus "in 30 Tagen bezahlen" könnte "30 Tage mit dem Kaufen warten" werden. Oder statt "3 zinsfreie Teilzahlungen heute, in 30 und in 60 Tagen" ließe sich ein privater Sparplan abwandeln: "3 Raten ansparen in zwei Monaten". Dann ist das Einkaufen langfristig entspannter. Vielleicht erscheint ein Produkt einen Monat später auch gar nicht mehr so notwendig…
Zugegeben, die Variante "Sparen jetzt - Kaufen später" klingt weniger attraktiv. Denn letztlich gilt es, davon auch den "inneren Schweinehund" zu überzeugen.
"Häufig räumen mir Ratsuchende selbstkritisch ein, dass das mit dem Ansparen nicht so recht funktionieren will," weiß Sandro Vogt zu berichten. Wenn Geld übrig ist, kann das für manchen schmalen Geldbeutel ein ungewohnter Zustand sein. Angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten hält der nicht lange an… Die Schuldnerberater empfehlen, nicht nur für eine eiserne Reserve, sondern auch für den persönlichen Sparplan, ein Tagesgeldkonto zu nutzen. Was dort eingezahlt ist, entzieht sich der Verfügung auf dem Girokonto. Einschränkend muss jedoch hingewiesen werden: Wenn bereits Zwangsvollstreckungen drohen, scheidet die Option Tagesgeldkonto aus.
Die Schuldnerberatung der Caritas hilft kostenfrei
Apropos Vollstreckung. Nicht erst, wenn man vor einem finanziellen Scherbenhaufen steht, ist die Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung der Caritas für Betroffene da. Niemand muss hier befürchten, eine Rechnung zu bekommen oder Vorauszahlungen zu leisten. Die Angebote sind kostenfrei, nicht zuletzt aufgrund der Zuschüsse vom Landkreis Meißen und vom Freistaat Sachsen. Anders kann dies bei den Inseraten sein, welche die Suchmaschine im Internet zum Thema Schuldnerberatung ganz am Anfang auflistet.
Damit der Weg zur Schuldnerberatung aber erspart bleibt, gereift die Beratungsstelle das Thema "Kaufen jetzt - Inkasso später" in ihren Präventionsveranstaltungen auf.