Sprach-Café im Franziskus-Kinderhaus
Unser Sprach-Café könnte auch Erzähl-, Begegnungs- oder Eltern-Café heißen. Es hat viele Funktionen. Entstanden ist es aus dem konkreten Dilemma von mehrsprachigen Müttern, die zwar einen Sprachkurs besuchen, aber kaum Möglichkeiten haben, die deutsche Sprache im Alltäglichen zu verwenden. Zum anderen nehme ich wahr, dass der Beziehungsaufbau zu den arabischen Müttern auch auf Grund der Sprachbarrieren mit viel Vertrauen erarbeitet wird. Mit dem Sprach-Café ist ein Format entstanden, das Türen öffnet. Wie in der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung nutzen wir also den aktuellen Sprachstand der Teilnehmer*innen und üben uns in nonverbaler, google-unterstützter, aber immer aufmerksamen Kommunikation. Es ist ein Schutzraum. In einer kleinen Gruppe von 4-8 Müttern gibt es gute Bedingungen, um in die neue Sprache hineinzuwachsen - jede Frau auf ihrem Level, langsam, dialektarm, zugewandt und in einfacher Sprache. Wir treffen uns einmal in der Woche von 15-16 Uhr (oft wird es später). Die Kinder werden in dieser Zeit vom Team betreut, auch über die Betreuungszeit hinaus. Wie gut, dass das Kinderhausteam diese zusätzliche Arbeit mitträgt.
Die Mütter, die sich in der neuen Sprache noch fremden fühlen, brauchen vor allem Unterstützung ihres Selbstbewusstseins. Ich nehme wahr, sie hadern mit ihren eingeschränkten Sprachkenntnissen, fühlen sich unsicher und wenig in ihren täglichen Bemühungen gesehen. Die wichtigste Botschaft ist deshalb: "Zieh dich nicht zurück, nimm die Einladung an, dich als Lernende kennenzulernen." Und so gehört zum Sprach-Café auch, sich und seine Fragen ernst zu nehmen: "Bitte kannst du das noch einmal sagen? Kannst du bitte langsamer reden, das hab ich nicht verstanden." Die Strategie, so zu tun, als hätte man alles verstanden, ist gut nachvollziehbar, aber eben nicht zielführend. So ähnlich ist es im Umgang mit den eigenen Fehlern. Es geht nicht darum, wenig Fehler zu machen, sondern sich zu trauen, die bekannten Wörter zu nutzen, um verstanden zu werden.
Das Sprach-Café beginnt mit einer Fragerunde, die alle Frauen einbezieht und beinhaltet dann einem kleinen thematischen Impuls. Die Frauen üben die Scheu vor dem Reden abzulegen, das Nichtverstandene zu erkennen zu geben, kleine Erfolge zu feiern, nachsichtig mit sich zu sein und sich gut zu fühlen.
Nebenbei lernen wir uns und unsere Kulturen besser kennen. Die thematischen Impulse entstehen durch die Anregungen und Fragen der Mütter: Die arabischen Frauen fragten z.B. im Herbst "Was feiert ihr am Buß- und Bettag?" Neben den religiösen Inhalten des Feiertages geht es auch um die Klärung der Begriffe: Welche Bedeutung haben die Wörter Buße und Beten in den jeweiligen Kulturen und Religionen? Das regt zum Austausch an.
Mein Lernfeld ist, darauf vertrauen zu können, dass auch kleinste Impulse genügen, um mit den Frauen ins Gespräch zu kommen. Ich würde sogar sagen, sie sind die Voraussetzung, dass Kommunikation gelingt. Planung verhindert ein situatives Reagieren. Meine Aufgabe liegt in der Moderation: alle Teilnehmer*innen zu Wort kommen lassen, Gesagtes würdigen und wiederholen - daraus weiterführende Fragen entwickeln und wieder in die Runde zurückgeben. Und ich lerne: Zeit zum Reden geben, freundlich warten, nicht so tun als ob, man es verstanden hätte - gutes Vorbild sein - wenn es sein muss noch mal nachfragen …. Puh - gar nicht so einfach.
Welchen Mehrwert hat das Sprach-Café für die Kinder des Kinderhauses? Unterstützt dieses Format die Entwicklung der Kinder und hilft Benachteiligungen abzubauen? Neben den positiven Einflüssen auf den Spracherwerb und ihrer Vorbildwirkung für ihre Kinder binden die Mütter vor allem mit der Institution Kindergarten an. Das ist nicht zu unterschätzen. Sie erleben, dass sie gehört und gesehen werden. Wichtige Information des Kindergartens bringe ich in das Sprach-Café ein, werbe um Mitarbeit, erkläre, informiere und höre die Perspektive der migrantischen Frauen. Das macht uns als Kinderhaus sensibel für den Blick dieser Familien.
Das Sprach-Café macht unsichtbare Türen sichtbar. Das kann Mütter befähigen hindurchzugehen und am Alltag des Kinderhauses aktiv teilzunehmen. Das ist eine gute Grundlage für eine gelingende Erziehungspartnerschaft.
Marlene Bunke
soz.päd. Fachkraft (Kinder stärken 2.0)